Energieeffizienz - System oder Audit

Energieeffizienz - System oder Audit?

11.02.2015

Rechtlicher Hintergrund - das Energiedienstleistungsgesetz EDL-G

Am Donnerstag den 05.02.2015 hat der Deutsche Bundestag in einer live übertragenen Debatte den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Teilumsetzung der EU Energieeffizienzrichtlinie und zur Verschiebung des Außerkrafttretens des Paragraphen 47g Absatz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Bt.Drs. 18/337318/3788) in der vom Wirtschaftsausschuss geänderten Fassung (Bt.Drs. 18/3934) angenommen. Damit werden Unternehmen, die keine kleinen oder mittleren Unternehmen sind, dazu verpflichtet,  ein Energieaudit (Überprüfung des Energieverbrauchs) durchzuführen, und zwar erstmals bis zum 5. Dezember 2015 und mindestens alle vier Jahre. Ziel ist es, Energieeinsparpotenziale festzustellen und zu nutzen. Damit wird die Energieeffizienzrichtlinie der EU zum Teil umgesetzt, die das Ziel verfolgt, die Energieeffizienz der EU bis 2020 um 20 Prozent zu steigern. (...) Der Bundestag verabschiedete zudem gegen das Votum der Opposition eine Entschließung, in der die Bundesregierung unter anderem aufgefordert wird, das Gesetz so anzuwenden, dass bei Unternehmen mit einer Vielzahl ähnlicher Standorte das Energieaudit als verhältnismäßig und repräsentativ bewertet wird, wenn bei der Auditierung der Standorte ähnlich vorgegangen wurde wie bei der Zertifizierung von Energiemanagementsystemen. Geprüft werden sollte, wie bei verbundenen Unternehmen mit besonders geringen Verbräuchen Wiederholungsaudits wesentlich vereinfacht werden können. Gegen das Votum der Opposition fand ein Entschließungsantrag der Grünen (18/3937) keine Mehrheit, in dem die Regierung unter anderem aufgefordert wird, das nationale Ziel, den Energieverbrauch bis 2020 um 20 Prozent und bis 2050 um 50 Prozent gegenüber 2008 zu verringern, verbindlich im Gesetz zu verankern und neben großen Unternehmen auch kleine und mittlere energieintensive Unternehmen in die Auditpflicht einzubeziehen.
Quelle: Deutscher Bundestag: Bundestagsbeschlüsse am 5. und 6. Februar 2015, www.bundestag.de/... (Stand: 06.02.2015)

Zielsetzung des Beitrags: Handlungsfähigkeit des Unternehmers stärken

Kurz gesagt bedeutet obiger Absatz, dass Unternehmen, die nicht unter die Definition KMU der Europäischen Union fallen - also mehr als 250 Mitarbeiter oder mehr als 50 Mio. € Umsatz generieren und eine Bilanzsumme von mehr als 43 Millionen € aufweisen -  bis Ende diesen Jahres entweder ein Energieaudit gemäß DIN 16247 durchgeführt und abgeschlossen haben müssen oder mit der Einführung eines Energiemanagementsystems gemäß EMAS oder ISO 50001 begonnen haben müssen. Da sich beide Ansätze zur gesetzlichen Pflichterfüllung - die nebenbei bemerkt bei Nichterfüllung strafbewehrt ist - grundsätzlich voneinander unterscheiden, soll im folgenden Beitrag eine Differenzierung von Energieaudits und Energiemanagementsystemen vorgenommen werden.

Das Energieaudit gemäß DIN 16247

Eine alle 4 Jahre zu wiederholende Erfassung des energetischen Status Quo eines Unternehmens mit anschließender wirtschaftlicher Bewertung von Optimierungsmaßnahmen unter Berücksichtigung möglicher Fördermittel gemäß der DIN EN Norm 16247 nennt man "Energieaudit". Die Erfassung der energiebezogenen Daten ist hierbei streng normiert und relativ aufwändig durchzuführen - meist anhand mehrtägiger oder mehrwöchiger Messungen. Hierbei sollten nach gängiger Praxis mindestens 95% der Energieströme eines Unternehmens betrachtet werden, wobei neben den elektrischen Verbrauchern ebenfalls die Wärmenutzung in Gebäuden als auch für Prozesse sowie die verwendeten Kraftstoffe katalogisiert werden. Dies ist der erste Unterschied zu Energiemanagementsystemen gemäß EMAS oder ISO 50001: bei diesen hat das Unternehmen mehr Freiheitsgrade in der Erfassung der Energiequellen und -verwendungen. Die starre Anwendung der DIN 16247 ist nicht zwingend vorgeschrieben. Gleichwohl ist die Norm ein guter Leitfaden.

Der sogenannte "Auditor", der eigentlich Energieberater ist, muss hierbei keine strengen Anforderungen an die Unabhängigkeit seiner Tätigkeit erfüllen. Falls ein externer Auditor hinzugezogen wird, hat dieser jedoch sicherzustellen, dass er sich von Vertriebs- und eigenen Provisionsinteressen  während der Durchführung des sog. "Audits" distanziert. Ich setze die Begriffe "Audit" und "Auditor" deshalb in Anführungsstriche, da es sich bei der Erbringung dieser Dienstleistung de facto um eine ausführliche, normierte Energieberatung handelt. Beratung ist jedoch per Definition parteiisch. Dies ist nicht negativ wertend, der Unterschied zu einem unabhängigen Audit muss dem Auftraggeber jedoch bewusst sein. Ein Umweltgutachter oder Auditor oder eine Auditorin im Sinne eines internen Managementsystemaudits oder gar einer externen Zertifizierungsstelle hat strenge Anforderungen an seine bzw. ihre eigene Unabhängigkeit nachzuweisen und dürfte keinesfalls beim Hersteller von beispielsweise Energieeffizienztechnik beschäftigt sein. Dies ist der zweite entscheidende Unterschied von Energiemanagementsystemen gegenüber einem Energieaudit.

Für die Unternehmensleitung kann der Abschlußbericht des Energieaudits eine wesentliche Hilfestellung  bei anstehenden Investitionsentscheidungen neuer Technik darstellen. Falls das Energieaudit von der Unternehmensleitung lediglich als lästige Pflichterfüllung des Energiedienstleistungsgesetzes EDL-G angesehen wird, hat das Energieaudit nach DIN 16247 den Vorteil, dass "der Zettel" lediglich alle 4 Jahre nötig ist und man unternehmensseitig nicht verpflichtet ist sich mit den Ergebnissen zu beschäftigen.  Das bedeutet, man hat wieder 4 Jahre Ruhe. Einsparpotentiale werden so zwar nicht gehoben, dies mag aber evtl. auch kein operatives oder gar strategisches Ziel darstellen. Womit der dritte Unterschied angesprochen wurde: ein Energieaudit ist eine punktuelle, alle 4 Jahre durchgeführte Betrachtung von Teilaspekten der Umweltleistung des Unternehmens - nämlich dem reinen Energieverbrauch mit angeschlossener Wirtschaftlichkeitsrechnung.

Das erste Zwischenfazit des Autors lautet: wenn keine Einbettung in einen definierten Regelkreis - sprich ein Managementsystem oder zumindest in das strategische Controlling erfolgt - ist die DIN 16247 eine punktuelle Betrachtung, die im Tagesgeschäft binnen weniger Wochen in den Hintergrund rücken wird. Sie ist somit eine relativ aufwändige und teure Art Geld aus dem Unternehmensfenster zu werfen. 

Energiemanagementsysteme EMAS und ISO 50001

Energiemanagementsysteme sind - vom Wortsinn her betrachtet - Systeme (also Regelkreise), die sich mit der Verwaltung (dem Management) spezifischer Themenbereiche (hier Energie) beschäftigen. Die zugrunde liegenden Normen EMAS und ISO 50001 unterscheiden sich im Bezug auf das Themengebiet Energie nur marginal. Der Unterschied zwischen beiden ist lediglich, dass EMAS ein ganzheitlich integrierter Ansatz zum Management  von umweltbezogenen Risiken, Leistungen und Kosten ist, während sich die ISO 50001 inhaltlich auf Energie beschränkt. Beide Systeme sind systemisch kompatibel zu weiteren Normen der ISO-Familie, wie z.B. der Qualitätsmanagementnorm ISO 9001. Man spricht in Verbindung mehrerer Normen von integrierten Managementsystemen, die in erfolgreichen Firmen seit Längerem state of the art sind. Bei der Definition der Prozesse und der Durchführung der Datenerfassung ist das Unternehmen nicht an die DIN 16247 gebunden. Diese ist ein passender Leitfaden - jedoch lassen Energiemanagementsysteme aufgrund des systematischen Ansatzes in inhaltlicher Hinsicht mehr Spielraum für unternehmerische Prioritäten, vor allem in den ersten Jahren der Einführung der Systeme. 

Interne Auditoren von Managementsystemen sind von dem von ihnen auditierten (quasi "verhörten") Bereich zumindest einigermaßen unabhängig, also nicht weisungsgebunden und auch sonst möglichst wenig interessensgeleitet. Externe Auditoren oder Umweltgutachter sind per Gesetz (EMAS: Umweltgutachter) bzw. per Norm (ISO 9001, ISO 50001: Auditoren) vollständig unabhängig. Für die Methodik der internen Auditierung von Managementsystemen müssen Mitarbeiter lediglich ein Mal ausgebildet werden. Inhaltlich muss eine Fortbildung aufgesattelt werden, dies passt sich jedoch dem Thema schnell an. Die Vorteile der Auditierung durch unabhängige interne (jährlich) oder vollständig unabhängige externe Auditoren (i.d.R. alle 3 Jahre)  liegen für das Management auf der Hand.

Die den Managementsystemen innewohnenden Regelkreise führen zu einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess, der automatisiert abläuft und der die Mitarbeiter des Unternehmens dazu bringt, sich ausdauernd mit den strategischen und operativen Zielen des Unternehmens zu beschäftigen. Als Output liefert das Managementsystem je nach Ausprägung in definierten Zeiträumen Berichte und Kennzahlen, die vom Management in Form eines mindestens jährlich stattfindenden Management Reviews bewertet werden. Aus Sicht des Autors - der als Unternehmer aus eigener Erfahrung spricht - eine äußerst effektive und effiziente Form der Unternehmensführung. Der dritte - aus Sicht der Systeme betrachtete - Unterschied zum Energieaudit besteht also im systematischen, regelmäßig wiederkehrenden Ansatz im Gegensatz zu einer punktuellen Betrachtung.

Zwischenfazit Zwei: die Einbindung des Themas Energie in bestehende Managementsysteme drängt sich förmlich auf, da dieses Thema die wenigsten Unternehmer kostenseitig kalt lassen dürfte und es sich aufgrund seiner öffentlichen Relevanz anbietet, ein zertifiziertes Managementsystem als Marketingargument zu verwenden.

Kosten der Energieeffizienz

Aus Sicht des Autors wird sich bei Unternehmen mit wenigen einzelnen Standorten die Frage nach der Wahl des Werkzeugs stellen: Audit oder System? Falls ein guter (!) Energieauditor schnell verfügbar ist kann es für diese Betriebe auf 3 Jahre gerechnet mit etwas geringeren Kosten verbunden sein, ein Energieaudit nach DIN 16247 durchzuführen. Die Preis-Leistungsrechnung fällt jedoch zu Ungunsten des nicht-systematischen Audits aus, da die Ergebnisse eben nur punktuell im Management wirksam werden. Im Hinblick auf den nächsten Absatz ist das Beginnen der Einführung eines Energiemanagementsystems im Jahr 2015 die deutlich günstigere Variante - hier dürfte Faktor 5 dazwischenliegen.

Ergebnis: Was tun?

Kein systemischer, jedoch ein entscheidender Unterschied in der Pflicht zur Umsetzung des EDL-G bis 05.12.2015 ist folgender: da der Gesetzgeber die Vorzüge eines Managementsystems betonen möchte und den (vermeintlichen!) Mehraufwand bei Einführung eines Energiemanagementsystems honorieren möchte, ist für die Erfüllung der Nachweispflicht im ersten Jahr lediglich ein minimaler Aufwand erforderlich, der innerhalb einiger Stunden erledigt sein kann. Für 2015 genügt die Erfüllung des Punktes 4.3.3 der ISO 50001 respektive EMAS in Verbindung mit der Benennung eines Energiemanagementbeauftragten sowie der Erklärung der Unternehmensleitung, ein Energiemanagementsystem einführen zu wollen.

Für den besonnenen Unternehmer oder Manager dürfte die Antwort auf die in der Überschrift gestellte Frage "Audit oder System?" auf der Hand liegen. Im Jahr 2015 mit der Einführung beginnen, sich in Ruhe einen professionellen Partner suchen oder intern gute Mitarbeiter aus- oder weiterbilden - und 2015 bis 2016 mit der Umsetzung und der Integration des Energiemanagementsystems EMAS oder ISO 50001 beginnen. Der weitblickend denkende Unternehmer wird allen Unkenrufen zum Trotz über EMAS gut nachdenken. Denn einzig EMAS hat es in den letzten 10 Jahren ermöglicht - ein Mal eingeführt - alle zukünftigen Vorteile im Mitnahmeeffekt zu genießen:

EMAS-Betriebe haben die ISO 16001 und die Nachfolgenorm ISO 50001 auf dem Silbertablett serviert bekommen, ebenso die international bekanntere ISO 14001. Sie haben ohne weiteres Zutun die Erleichterung nach der SpaEfV in Anspruch nehmen können, sich also die Energie- und Stromsteuer rückerstatten lassen können. Weiterhin konnten und können energieintensive EMAS-Firmen die besondere Ausgleichsregelung nach EEG in Anspruch nehmen. Die IED-Richtlinie erfüllen sie automatisch. Und nun lässt eben auch die Pflicht zur Umsetzung des EDL-G EMAS-zertifizierte Betriebe kalt: sie sind bereits in der Spitze der Managementsysteme, weitere Normen erfüllen sie automatisch bereits heute. 

Schlusswort:

Als großer Fan von simplen, aber wirkmächtigen Managementprozessen - gestützt durch moderne, mit Freude zu bedienende IT - kann ich als Unternehmer mit erst 6 Jahren Berufserfahrung empfehlen, Zeit in Managementsysteme zu investieren. Für mich persönlich gab es noch keine Investition mit mehr Rendite: transparente Abläufe, klare Regelungen, zufriedene Mitarbeiter und die Möglichkeit sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: auf die strategische und evtl. operative Steuerung des Unternehmens. Und nicht auf das Ablesen von Stromzählern.